Die Philosophie und die Rechengenies – von Zahlenbänder und Recheninseln

Wir hören den philosophischen Zauber eines scheinbar unzertrennlichen Zahlenbandes, das am Gehör entlang rast. Ein Zahlenkaninchen, das der Magier aus dem Hut, aus seinem Gehirn, aus einer Philosophie des Ganzen hervorzaubert. Rüdiger Gamm einer der Savants, die keine nennenswerten autistischen Defizite aufweisen. Dennoch war er als Rechengenie schlecht in der Schule. War er unterfordert?

Der philosophische Sinn unserer Grenzleistungen

Seien wir mal ehrlich: Was bringt uns das Kalenderrechnen, das heißt wie Gamm zu jedem beliebigen Datum den passenden Wochentag zu wissen? Was bringt es uns, in die Dimensionen der Zahlen vordringen zu können? Im Gehirn hat er Ergebnisse von 200.000 Zwischenlösungen gespeichert, nur was würde uns diese Rechenausstattung wirklich nutzen? Für eine Philosophie Platons wären es Schattenspiele an der Wand, ohne zu erkennen, dass die Sonne im Rücken noch überhaupt nicht erkannt worden ist. Die Genies können daher nur Philosophen sein, die so zum Beispiel versuchen den Seinsgrund der Mathematik zu entbergen. Dieses philosophische Unterfangen ist wohl der eigentliche Mount Improbable, zum Rechengiganten aufzusteigen hingegen, heißt doch gleichzeitig zum Zahlenidioten zu werden, der womöglich den philosophischen Bezug zum Ganzen verliert.

Der Rechenidiot ist eine Insel der menschlichen Naivität, die auf einem Zahlenmeer schwimmt. Er ist Sklave einer entkoppelten, inneren, unnachgiebigen Welt des Rechnens, ein beständiger innerer Rechenschieber, der das Leuchtfeuer seiner Neuronen im Glanz der Mathematik nicht aufhalten kann. Philosophisch besehen müssen wir uns daher keinem Zahlenreich unbewusst ausliefern und nur mit der Unendlichkeit des Rechnens innerlich möblieren. Wir wollen doch philosophisch mehr sein als die sturre innere Notwendigkeit der Rechenregeln in uns zu erforschen. Gewiss mit den Primzahlen kommen gewisse Zahlengeheimnisse in unsere innere Zahlenwelt und allein das System der Dekadik bringt uns einen Schleier der Zahlenmystik, aber auch das sind nur Schatten an den Wänden der Welt und keine Philosophie. Es geht natürlich um mehr als nur um das Rechnen.

Es heißt hinter jedem Phänomen versteckt sich die Welt der Zahlen, aber könnte es nicht auch genau umgekehrt sein, dass die Phänomene (Phänomene sind philosophisch das nur Erscheinende) uns die Welt der Zahlen zufällig liefern, die wirkliche Welt aber eine ganz andere ist.

Die Welt des Rechnens als realerer Teil einer doch manchmal ausufernden abstrakten Mathematik lässt uns nach diesen Zahlen auch in der Wirklichkeit suchen, aber sind Zahlen real? Ist alles Zahl wie es Pythagoras noch philosophisch mutmaßte? Dies wäre die philosophische Frage und dies wäre Philosophie.

 

Fotothek df tg 0000047 Architektur ^ Mathematik ^ Allegorie ^ Waage ^ Vermessungsinstrument ^ Messzirke

Kein Gedankenmessi, sondern die Ordnung des philosophischen Geistes soll uns leiten!

Ich bewundere Gamm für seine Fähigkeit und wünschte mir auch diese enormen Fähigkeit, aber was würde ich dann als Philosoph tun? Draußen die Blätter an den Bäumen zählen, die Muster der Tapeten genau kennen? Würde es mir nützen, mich erfolgreicher im Beruf und Privaten machen? Würde es der Menschheit auf ihrem Weg in die Demokratie und Gerechtigkeit nutzen? Auf der Spur der Genies also fragen wir, was uns denn wirklich nützt, denn verschrobene Spezialbegabungen gibt es in Hülle und Fülle. Ich frage stattdessen, welches Genie ist wirklich als Genie zu bewerten und da glaube ich, warten wir noch auf die richtigen Philosophen. Der Maßstab der Nützlichkeit gilt hier natürlich auch als problematisch. Denn es heißt auch bei Philosophen immer wieder, wir interessieren uns in den Wissenschaften für die Dinge ohne Grund  und aus purer Neugier. Dieses sei das geheime Band, das alle Wissenschaften zusammenhält. Neugier halte gegen die Nützlichkeit her.

Ist das aber philosophisch schon plausibel? Denn wenn ein Mathematiker behauptet, er interessiere sich zunächst für Formeln aus purer Neugier, so glauben wir doch, dass diese Form seines Interesses höher zu bewerten ist als das Interesse des alten Ehepaars, das in ihren Vitrinen Tassen und Teddybären sammelt. Wir bewerten den Mathematiker höher als den Idioten, der die Schmelzpunkte aller Materialien auswendig lernt. Und wenn uns jemand erklärt, er wolle für läppische 30 Milliarden etwas über den Ursprung des Universums in Erfahrung bringen, würde uns aber im gleichen Atemzug versichern, dass dieses uns niemals etwas nützen würde, warum sollten wir diese Ausgaben tätigen? Mir würden Unmengen an Projekten einfallen, die ich unterstützen könnte. Wir wollen doch keinen Gedankenmessis, die jeden Gedanken, weil sie sich mit anderen verknüpfen abspeichern. Wir wollen die Ordnung aller Teile in einem Ganzen und dies ist Philosophie. Letztlich ist es also nicht Neugier, sondern der höchste Seinsgrund, der uns treibt.

Da wir als Menschen aber nur begrenzte Zeit haben, wäre es ein verfehltes Leben, wenn sich herausstellen würde, das unsere gesamte Rechenschieberei nur das gleichsam ästhetische Werk von emsigen Ameisen war, die einer nie gesehenen Königin gedient haben. Wer wollen wir also sein? Diese philosophische Frage steht in Kontakt zu unserem täglichen Handeln. Es ist unsere eigene Grenze, denn wir müssen uns fragen, was wir mit unserem Leben tun wollen, weil wir nur begrenzte Zeit haben. Dies ist auch eine philosophische Frage nach dem Ganzen. Der Sinn des Seins liegt in der Zeit, die wir haben. Und nach diesem Maßstab müssen wir auch das Genie bewerten. Denn sinnlose Fähigkeiten gibt es überall, welches sind aber die Fähigkeiten und Innovationen, die die Menschheit wirklich braucht? Hier lautet meine Antwort: Wir brauchen Philosophie!

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