Richard David Precht ist so etwas wie Deutschlands demokratisch gewählter Philosoph (jedenfalls glauben das die meisten). Der Mann ist bei ARD und ZDF eigentlich per Telefon-Ted (wie auch schon der Klügste Deutsche) in die Riege der Philosophen gewählt worden. Irgendwann saß er auf einmal in den Talk-Runden und erzählte mit Klassensprecherbesserwissermentalität wie der Kapitalismus denn funktioniere. Seit einem halbwegs amüsanten, aber seichten Buch über Neurophilosophie wurde Precht auf einmal zu allem befragt, was irgendwie das Etikett „Laberwissenschaft“ trug und obwohl er einen Doktortitel in Germanistik besaß, kündigten ihn alle nur noch als Philosophen an.
Die Banalität seiner Aussagen verwechselte der Durchschnittsverbraucher mit der Fähigkeit, Dinge auch mal ganz einfach zu sagen. Mit dröger Sprache, aber viel Äußerlichkeit stierte Precht sich plötzlich in die Herzen der Frauen. Offener Hemdkragen und schöne Frisur (Dinge bei denen ein Sloterdijk nicht so schnell mithält) sind wohl Markenzeichen einer Philosophie die näher am Look ist (das ganze ist gleich noch im Video zu bewundern).
Wie sehen dementsprechend seine Sendungen aus? Kläglich wie folgendes Beispiel demonstriert. Offensichtlich verwendet der Sender mehr Zeit für dramatische, elaborierte Musik und pseudokreative Perspektiven auf den neuen, gestylten Superphilosophen als für die Ausarbeitung der Inhalte.
Um es kurz zu sagen, der Mann ist eine intellektuelle Unterforderung und eher für die Sendung mit der Maus geeignet. Im Grunde habe ich mit ihm kein Problem, nur die Wahl zu Deutschlands Super-Philosphen irritiert mich so sehr und wohl auch der Fakt, dass nun „Das Philosophische Quartett“ auch zu Gunsten einer (erhofft) publikumswirksameren Sendung abgesetzt worden ist.
Aber bevor wir das diskutieren, schauen wir uns nochmal den Beitrag an. Der Mann leitet also seinen intellektuellen Beitrag zur Freiheitsproblematik mit einem kreativen Einstieg, wie wir ihn in der Grundschule nicht besser gelernt hätten, ein:
„Tütensuppen [PAAAUUUSSSEEE] Wieviel Tütensuppen braucht der Mensch? [Pause] Brauchen wir das alles?“
Soweit so gut, die Grundschüler hat er mit diesem kreativen „Ohröffner“ im Boot. Der Tütensuppeneinstieg hat meine Aufmerksamkeit auf sonderbare Weise gefesselt, so wie ein Unfall, wo man nicht wegschauen kann. Doch den Argumentationsstrick legt er sich um den Hals, wenn er so tut, als wäre Freiheit nur eine Idee des 18. Jahrhunderts gewesen, eine Art Hirngespinst also, was wir uns nur im Hochofen des Idealismus wirklich denken konnten, was aber für (freie) aufgeklärte Neurowissenschaftler nur noch eine Halbwahrheit ist. Die Idee der Freiheit, die Kant noch in seiner Philosophie als Grundlage für die Erkenntnis von allen partiellen Kausalitätsreihen sah, die wir mit dem Gerichtshof der Vernunft in die Welt brachten und die uns zugleich immer befähigt, die Welt als Welt zu verstehen, diese Freiheit kann bei Precht nur eine Idee sein, der wir bald nicht mehr folgten. Wir zitieren das Ganze mal:
„Freiheit, ein schönes Wort. Das Lieblingswort der Philosophen im 18. Jahrhundert. Und die Idee war, je mehr Freiheit der Mensch hat, umso glücklicher sollte er werden. Ein unaufhaltsamer Aufstieg [welch knackige Wortwahl] zum Glück.“
So oder so ähnlich war das also im 18. Jahrhundert. Freiheit war nicht etwa bei Kant Grund aller systematischen Erwägungen, das Ich war in seiner freiheitlichen Vernunftverfassung nicht etwa die Selbstgesetzgebung für alle empirischen Erfahrungen, alle Welterkenntnis und die Grenze aller Erkenntnis darüber hinaus. Nein, Freiheit war selbst schlicht eine Frage der Wahl. Freiheit hieß bloß zwischen Gegebenem wählen und nicht erst das Gegebene zu ermöglichen und als Teil in der Welt irgendwie zu verstehen. Freiheit eines der höchsten denkbaren Konzepte ist bei Precht nicht mehr als eine Phantasie. Hier beginnt eigentlich die Philosophie, doch die umschifft Precht gekonnt, indem er suggeriert, dass die hohen Konzepte der Philosophen irgendwie doch einfach nur altmodisch waren.
Precht hat wohl die Höhepunkte des 18. Jahrhundert nicht so recht verstanden, selbst die pragmatisch-analytische Philosophie eines Brandom, eines Amerikaner also kehrt nun zu Kant und Hegel zurück, aber irgendwie passt dies natürlich nicht so ganz zu locker sitzenden Hemdkragen. Wie kommt Precht also darauf? Richard David Precht hat wohl irgendeinen Richard David Precht aus dem 18. Jahrhundert gefragt [wahrscheinlich Peter Müller], was denn philosophisch so gelaufen ist.
Der eigentliche Faux Pas bei dem Video ist aber einer anderer. Für die Darstellung des Videos müssen natürlich einige Konsumenten im Real in Köln als dämliche Statisten herhalten. Wir schauen mal auf die Sekunde 1:33 im Video. Wir sehen drei gewöhnliche Deppen, die sich nicht entscheiden können und wie Hans Wurst vorm Wurstregal stehen:
Nun drei gewöhnliche Idioten im Supermarkt, die sich nicht entscheiden können? Dramaturgisch gut gemacht, vor allem um Precht in Szene zu setzen. Leider aber weiß der Zuschauer ein entscheidendes Detail nicht. Der erste der drei ist Özgür Aktok, der gerade seine Dissertation zu „Ontologischen Paradigmen“ fertigstellt und nächstes Jahr seine Professur in Istanbul antreten wird. Warum also Precht dabei gerade ihn als Düßbaddel auswählt, wissen wir nicht. Ehrlich gesagt frage ich mich ernsthaft, ob Özgür gefragt worden ist und die E-mail ist auch schon unterwegs an ihn.
Sind wir denn alle so blöd, dass wir glauben, Precht erzählt schlaue Dinge? Der neue Intendant Thomas Bellut setzt nun tatsächlich „Das Philosophische Quartett“ mit Sloterdijk und Safranski (die weitaus kreativer als Precht schreiben) vor die Tür und gibt Precht den Sonntag Abend für die Philosophie, denn offensichtlich sieht Precht charmant, elegant und eifrig aus. Keine Schlafmütze fürs Nachtprogramm also.
Das ZDF verabschiedet also gerade einen Intellektuellen, der weltweit (außer in Deutschland) als Philosoph der deutschen Postmoderne gehandelt wird, dessen Impulse gerade an weltweitem Einfluss gewinnen und nimmt jemanden hinein, der die Welt der Philosophie so einfach und doch banaler als bei Kinderquatsch mit Michael erzählt. Für meinen philosophischen Geschmack war dies ein Fehler. Gleichwohl ich stets analytische Philosophie und knochentrockene, kontinentale Philosophie studiert habe, habe ich gerade Sloterdijk als DEN deutschen Philosphen erachtet und zwar noch vor Habermas, über den ich meine Magisterarbeit schrieb, der gleichwohl auch den beachtlichen Entwurf zur Diskurstheorie vorgelegt hat. Gerade aber die Art wie Sloterdijk und Safranski abgewählt worden sind, spricht wohl nicht für das „neue“ ZDF, das sich mit Sachverstand auch dem Ernsten, also der Philosophie widmen möchte. Sloterdijk und Safranski sind daher die blöden Statisten, die in Zukunft in Prechtbeiträgen im Hintergrund auftreten dürfen. Wenn Precht in aller Banalität lamentiert, was wir so für Ideen im 20. Jahrhundert hatten, dürfen die wirklichen Philosophen dann bei ARD und ZDF in der ersten Reihe Platz nehmen. Ab und an gibt es dann noch von Precht ein paar Seitenhiebe, warum ihn die „anderen“ Philosophen nicht ernst nehmen und dass die ja ohnehin alles so kompliziert machen und das war es dann mit der Philosophie. Sendungen über Freiheit und Tütensuppen interessieren mich jedenfalls nicht.
Der Beitrag zur Sloterdijk-Entlassung lässt sich in der Zeit nochmal nachvollziehen:
http://www.zeit.de/2012/20/Interview-Sloterdijk-Safranski