Moralphilosophie im Hinblick auf die Sozialisierung unserer Kinder ist immer wieder ein angeblich heißes Eisen auch die Frage der Integration sei Zündstoff. Markus Lanz hat für diese moralphilosophischen Themen sozialen Sprengstoff in die Talkshow geladen. Der Mann aus Dynamit (Peter Maffay) sowie die Bordsteinaufsteiger Sido und Bushido waren dabei, um ganz üblich über den Zerfall unserer Gesellschaft zu debattieren. Um die Sendung philosophisch zu rahmen, wurde noch der von den Medien erwählte Pressesprecher der modernen Philosophie, Richard David Precht geladen.
Vorüberlegung zur philosophischen Fragestellung, ob Kinder geistig verarmen
Mit der recht amüsanten Diamantbesetzung kamen die beiden Ego-Philosophen Sido und Bushido nicht zu Recht. „Danke Hamburg, kein Danke an Lanz und gleich hallo Berlin“ hieß es schon vor Ausstrahlung der Sendung auf Bushidos Twitter-Seite. Auch Leidensgenosse Sido konnte nicht anders: „Alta Schwede!! Dieser Lanz hat uns nur eingeladen, um uns auseinander zu nehmen!?!?“ Ganz so war es natürlich nicht, denn mit den „Künstlern“ wurde noch viel zu seicht argumentiert. Problematisch ist wohl, warum Bushido beispielsweise einen Bambi bekommt. Precht hatte jedoch ganz Recht, wenn er feststellte, dass der Bambi keinen großen Wert besitze und diesen jeder Hollywoodstar bekomme, wenn er gerade zufällig in Deutschland sei. Auch mit der Tatsache, dass Integration bei Bushido und Sido eine Verweichlichung im Fahrwasser des Kapitalismus bedeute, da diese letztlich nur mit Geld integriert wurden, hat Precht sicher Wahres ausgesprochen. Bevor wir das aber diskutieren noch ein paar allgemeinere Anmerkungen.
Die philosophischen Fragen in diesen Bereichen waren natürlich nicht neu: „Verarmt die Jugend moralisch?“ Eine philosophische Frage, die wir uns angesichts der makrosoziologischen Problembestände in unserer Gesellschaft und ihrer Umwelt eigentlich erst wesentlich später stellen sollten. Kinder nach gegenwärtigen Standards der Gesellschaft zu sozialisieren, bringt womöglich keine große Verbesserung in den philosophisch-moralischen Kernbeständen, daher sollten wir eher fragen, wie wir nicht die Kinder verbessern, sondern uns und unsere Gesellschaft. Ungezogene Jugend ist damit ein Problem der Erwachsenen und nicht der Kinder. Wenn wir dann berücksichtigen, dass laut Ärzteblattstudie 50% der Deutschen ihre Kinder noch schlagen, dann müssten wir eigentlich wissen, wo wir genauer nachschauen sollten. Da können wir selbstverständlich nicht Sido und Bushido ohne Weiteres verantwortlichen machen, wenn Jugendliche auf ihre frühere Gewaltmusik anspringen. Bis jetzt ist es ja noch weit verbreitet Kinder mit Belohnung und Strafe als durch die schwere Einsicht in die philosophischen Ideale der Vernunft zu erziehen. Es ist doch auch so, dass die meisten Erwachsenen der grundlegenden Bildung im Bereich der Philosophie nicht mächtig sind. Philosophie, die Königin der Wissenschaft, von der sich die anderen Wissenschaften ihre Prinzipien borgen, ist verdrängt von den instrumentellen Grundfertigkeiten: Lesen, Schreiben, Rechnen. Philosophie, die überhaupt die Grundlage unserer modernen Staaten war, derart in den Bildungsplänen auszusparen, hat zur Folge, dass wir alle in der Regel Vernunftanalphabeten sind.
Vielleicht ist aber auch jene Philosophie, die in den Feuilletonbächen heruntergewaschen wird, eine aussichtslose Philosophie, da wir das Zeitalter des notwendigen Egoismus noch nicht überwunden haben. Wir müssen ja bedenken, dass Gewalt lange Zeit in der Menschheitsgeschichte eine Überlebenschance versprach und die Loslösung von der Gewalt zu diesen Zeiten nur unter der Voraussetzung geschehen kann, dass wir dem Überlebenskampf der Natur endgültig entkommen sind. Angesichts jedoch unserer Unfähigkeit mit allen Beständen unserer Umwelt (der Natur, der sozialen Schicht, den Einkünften unserer Staaten) zu haushalten, lässt sich philosophisch nur auf ein gutes Ende hoffen. Der Egoismus ist zumindest noch nicht gesichert Relikt. Egoismus ist noch ein in uns überlieferter Darwinismus, der vielleicht irgendwann doch wieder Berechtigung erfährt.
Sido und Bushido – intellektuell überfordert
Dennoch gibt es natürlich in unserer Gesellschaft aufgrund des modernen Luxusgutes „Zeit“ genügend Momente, die Kritik am Egoismus (philosophisch-moralisch berechtigt) hervorbringen. So war es auch nicht verwunderlich, dass sich Sido und Bushido zu ihrer großspurigen und egoistischen Lebensphilosophie äußern sollten. Dies hatten die beiden Ego-Rapper aber in dieser Weise wohl nicht erwartet: Zumindest hatte Bushido davon bald genug und stellte fest, dass der Sendung der positive Grundton fehle.  Sein Kollege (Alda) Sido wusste auf simple, logische Einwände bald schon nichts mehr zu erwidern. Selbst seine Versuche in kühles Abweisen auszuweichen, dass er sich für nichts schuldig fühle, verpufften, als er sich dann doch aufgeregt rechtfertigte. Während Bushido durch seichte Argumente aus dem Takt gebracht war, schmollend in seinem Sessel versank, konnte Sido nur noch nervös stottern.
Keine mediale Hinrichtung bei Lanz
Offenbar aber wollte Lanz nicht mehr die mediale Schlachtbank sein. Den Pastor Jürgen Fliege hatte er ja noch vor einem halben Jahr mit fünf anderen (teils promovierten!) intellektuellen Halbstarken hingerichtet. Obwohl es dabei sachlich leicht gewesen wäre, festzustellen, dass Fliege mit seinem Esogebräu (die „Fliege-Essenz) Unsinn verzapft hatte, war diese Sendung zu Gunsten von Fliege bestechend unsachlich. Mehr als Beleidigungen blieben damals von den „Argumenten“ gegen Fliege nicht übrig. Bei Sido und Bushido hätte Lanz eine sachliche Demontage durchführen können, in diesem Fall aber ist Lanz davor zurückgewichen.
Dabei hat Lanz mit Sicherheit ein höheres philosophisches und intellektuelles Potential als seine Kollegen. Markus Lanz, der fast verbrauchte Gutausseher als philosophische Stütze vom ZDF hat durchaus schon sachliche und vor allem kritische Sendungen zu Stande gebracht. Wohl nur deshalb war die Sendung selbst keine mediale Bühne für die intellektuellen Seichtpoeten. Im Gegensatz zu den Konkurrenztalkshows bei Maischberger und Co. konnten sie diesmal nicht durch ich-bezogene Rhetorik überzeugen, auch wenn Lanz die letzte Konsequenz fehlte.
Ausgewählte Argumente der Ego-Philosophen
Die Argumente von Bushido sind auf den ersten Blick leicht nachvollziehbar. Schwarzenegger und Stallone machen Gewaltfilme, er (Bushido) mache Gewaltmusik. Bei den Herren ihres Action-Genres stellen wir keine Fragen, warum sollten wir also Fragen an den Musiker stellen? Dieses wusste der Halbphilosoph Precht schnell als moralpsychologischen Trick abzuwehren, denn warum sollten Schwarzenegger und Stallonefilme nicht genauso bedenklich sein?
Dennoch zeigt der Hinweis von Bushido aber sehr richtig, dass nicht Sido und Bushido Verderber unserer Jugend sein können, denn unsere Gesellschaft bringt derlei Gewaltmusik schlicht auf den Markt, weil sie konsumiert wird. Sind Sido und Bushido also nichts weiter als Marketingpuppen, die sich an die Gesellschaft für viel Geld verkaufen? Zumindest Sido hat sich selbst genau dazu degradiert. So gab er doch zu, dass sein Sohn derlei Trash, wie er ihn produziere, nicht hören dürfe. Was heißt das in der Konsequenz? Sido schreibt als Marketingzombie den Soundtrack zum Leben derer, die keinen anderen Ausdruck als Gewalt finden würden. Er selbst kann diese Form der Egopropaganda jedoch nicht ernst meinen, denn im innerfamiliären Gefüge sei er jemand anderes. Sido ist also im Wesentlichen das gutbezahlte Mundstück einer unterdrückten Minderheit, ohne jedoch er selbst zu sein.
Aber gehen wir nochmal auf die Frage der sozialen Gewichtung seiner Musik ein. Richtig ist wohl die Einschätzung Sidos, dass er die Leute nicht mache, die sich seine Musik kaufen, sondern, dass diese schon vorher da gewesen sein müssen. Hieran würde sich nun die erst soziologisch und philosophisch tiefgründigere Frage nach sozialen Rückkopplungseffekten stellen. Verstärken sich womöglich Rezipient und Künstler gegenseitig? Mit reinem Kausalitätsdenken kommen wir hier nicht weiter, denn was ist der Grund wofür? Einerseits erhält das Publikum Sido durch die beträchtlichen Finanzspritzen, andererseits erhält Sido sein Publikum und verhindert damit Erziehung. Wo aber wäre die Kausalitätskette am ehesten zu unterbrechen? Wohl bei Sido. Da Sido und Bushido aber vorrangig auf ihren Stühlen schmollten, konnten sie dazu nicht mehr Stellung beziehen.
Welche Philosophie hat Sido?
Was Sido nun eigentlich will, weiß niemand. Die Auffassung, dass er schließlich nur ein Marketinginstrument mit seinem peinlichen Klischeerap spiele, durchkreuzt er mit der Auffassung, dass er Kunst mache. Auf den Einwand von dem Halbphilosophen Precht, dass er vor allem Mittel produzieren würde, die missbraucht würden, kann Sido nur kontern, er lasse sich durch das Internet in seiner Kunst nicht einschränken. Kunst?
Wohl sollten wir diesen Argumentationen der „Künstler“ nicht zuviel Aufmerksamkeit geben, worum es nämlich eigentlich einfach nur geht, ist das Geld in den Taschen von Bushido und Sido. Dass sie dieses Geld noch mit einer Egoshow verdienen, die sie vor ihrer Klientel als Kunst rechtfertigen dürfen, wäre wohl ohne philosophisch-moralische Bedenken ein Traumjob. Die Unverhältnismäßigkeit ihres Verdienstes lässt sich nun jedoch wahrlich nicht mehr durch eine angebliche Leistung an der Gesellschaft rechtfertigen und ist auch allein deswegen schon unmoralisch. Mundstück angeblicher Minderheiten zu sein, rechtfertigt ebenso keine Millionengagen.
Das intellektuelle Niveau war zu hoch
Dass den Herren für solche Selbsteinschätzungen aber die nötige Reflexionskraft fehlt, ließ sich schnell erahnen. Sido verfügte einfach nicht über die Konzentration dem Durchschnittsphilosophen Richard David Precht zu folgen. Für gewöhnliche Philosophen ist der Mann ja eine schmerzliche Unterforderung. Der Künstler Sido aus dem angeblichen Ghetto war zumindest geistig nicht mehr gegenwärtig. Sollte Precht etwa schon als intellektuelle Elite gelten? Er sagt doch für gewöhnlich nur, was allen klar ist und dies ohne größere philosophische oder rhetorische Finesse. Die Medien kündigen Precht mittlerweile als Philosophen an, eigentlich aber könnte er maximal den Pressesprecher der Philosophie abgeben, der nur das grob wiedergibt, was er selbst nicht so verstanden hat, dafür aber verständlich machen kann. Gut Sido gab zu, dass er nicht folgen konnte und vielleicht saß er deswegen auch schmollend auf seinem Stuhl. Einmal sagte er noch, dass es wichtig sei alten Menschen zu helfen. Vielleicht kann er ja demnächst mit solchen Aussagen Guttenberg bei seinem Comeback unterstützen oder er macht gleich einen Song daraus (mehr Gehalt haben die Texte nämlich in der Regel auch nicht).
Seichtrap
Schauen wir uns nun den Werdegang der Egostars an, die ja nun mit dem Mann aus Dynamit (Peter Maffay) einen Song machen durften, dann wird uns eigentlich deutlich, wie sehr sie in das mediale Geschehen bereits eingespannt sind. Sidos Musik war früher unversöhnlich mit der Gesellschaft; heute geht er ins seichtere Gefilde, wo er noch weitere monetäre Ebenen abgrasen kann. Mit dem Eintritt auf die finanzielle Hochebene der Gesellschaft hat Sido jedoch das wesentliche Verständnis für die Moral und Philosophie in unserer Gesellschaft keineswegs erreicht. Die Skandaltexter wurden einfach nur weichsozialisiert, so hatte Bushido schließlich nie ein Interesse, indiziert zu werden, und betont auch, dass er seit 7 Jahren nicht mehr indiziert worden ist. Nun bewegen sich die Herren in den seichten Gewässern der Popularität, das noch mehr Geld verspricht. Dort lässt sich mit einem leichten Song mehr abschöpfen, wenn auf wesentliche Aggressivität, die einst den Durchbruch versprach, verzichtet wird. Sido und Bushido passen wohl damit in eine Zeit, da der Gewaltrap ein abgenutztes Klischee geworden ist. Zumindest sind Bushido und Sido bei ihrem Erfolg sympathisch, auch wenn sie im Grunde nichts weiter sind als der vermarktete Durchschnittstyp von der Straße.
Die Sendung  „Lanz mit Bushido, Maffay, Sido, Precht und Gabi Decker“  lässt sich in der Mediathek vom ZDF noch 3 Monate anschauen. Wenn ihr weiter von meinen Beiträgen mit den Rändern der Philosophie Bekanntschaft machen wollt, dann abonniert doch meinen Blog.
Anschauungsmaterial
Sido hat mir schon seit jeher Verstehensprobleme bereitet. Seitdem mir aber bekannt wurde, dass der Mann mit der Maske den gutbürgerlichen Namen „Paul“ trage, habe ich aufgegeben. Es soll ja Menschen geben, die tatsächlich ein dümmliches Klischee erfolgreich zu Markte tragen. Mittlerweile bin ich aber zu der Ãœberzeugung gekommen, dass Menschen, die sich unter ihrem intellektuellen Wert verkaufen, selbst vielleicht noch intelligent, aber keineswegs vernünftig sind. Selbst der Philosoph Adorno unter großen Existenzsorgen ging aus diesem Grund niemals den doch leichten Weg in die Musikindustrie. Sido aber, gleichwohl leicht sympathisch, möchte ich keins von beidem unterstellen. Vielleicht aber ist Klugheit, was die Masse entscheidet (so hat es uns zumindest das ZDF mit der Sendung „Der klügste Deutsche“ suggeriert, um uns einen Telefon-Ted unterzujubeln). Da sich demnach Sidos Songs gut verkaufen, sollte er nach ZDF-Einschätzung wohl als klug gelten.
Sicher mit mehr Anspruch folgendes:
Bin von Peter Maffey enttäuscht, dass er sich so vor diesen Karren spannen lässt und Alibis abgibt für die ach so wundersame Wandlungen dieser Rapper. Gewandelt sicherlich, wie der Artikel zeigt, aber nicht im moralisch lobenswerten Sinn. Manchmal gruselt es mich.
Eine gute Formulierung und Möchtegern-Philosophieren macht noch lange keinen wertvollen Text, Bericht, was auch immer aus. Habe es mir durchgelesen und ich denke, ich habe eine völlig andere Sendung gesehen, mit einen Bushido. der sich gut zu verteidigen wusste, auch gute Argumente gebracht hat (die aber eh keinen interessieren, weil die Leute sich mit dieser Person niemals beschäftigt haben und den BILD-Stempel nur auf der Stirn haben), und meiner Meinung nach intellektuell der ganzen Bande inklusive Peter Maffay überlegen war. Einem Sido, der sich aus dieser Moralapostelsache einfach rausgehalten hat, weil er müde ist von dieser ewigen Diskussion um die beiden. Lanz war völlig überfordert und versuchte sich, nachdem er gemerkt hatte, dass sein Contraprogramm nicht zieht, uns zu verklickern, dass er die Musik gut findet. Ich kann eh dieses ganze Fernsehgetue nicht mehr ertragen, am liebsten wäre mir, wenn alle auf der Stelle aufhören würden über Sachen zu berichten, wir lassen alle die Flimmerkiste aus, denn die tut uns nicht gut.Wir besinnen uns auf die Bücher, die wir mögen, auf das Leben draußen und auf gute Musik. Unter gute Musik fällt auch übrigens Bushido.
*lach* Nein, Philsophie ist das hier nicht, aber Philosophie habe ich mit Auszeichnung studiert. Ich weiß wohl entfernt worum es geht. Aber mal zu der Frage der guten Musik. Da interessiert mich das ewige herunterschrammeln von alten spießigen Akkorden wenig. Da kommt kaum etwas bei heraus und ist für die musikalische Entwicklung kaum mehr von Bedeutung. Das ist nur noch eine Popbranche, die sich medial selbst feiert. Sido und Bushido interessieren mich dabei wenig; hin und wieder hörte ich es mit Interesse. Zum innovativen Potenzial kann ich aber nur sagen, dass sie sowohl lyrisch als auch musikalisch nicht mehr als spießig sind.
Danke jedenfalls für den kontroversen Kommentar :)