Zur Grenze zwischen Zufall und Notwendigkeit in der Philosophie

Der Nutzer MiSha400 schreibt in einer Diskussion zu diesem Video vermeintlich philosophisch:
… Glauben ansich… das, was du über dich selbst, und über die Realität glaubst ist deine Realität (deine „Blase“).Jeder lebt in seiner eigenen kleinen „Box“ aus Glaubenskonstrukten über die Realität und sich selbst.Wenn du etwas als wahr erachtest (glaubst), wird es zu deiner Realität.“
Das ist natürlich grober Unfug. Das, was der Kommentator hier versucht zu vermitteln, ist eine Form des philosophischen Konstruktivismus, den niemand in der Philosophie ernsthaft vertritt. Alle philosophischen Konstruktivismen verstand die Mehrheit der Philosophen immer falsch. Selbst der radikalste philosophische Idealismus heißt nicht, dass wir nur etwas denken und es wird dann real. Dies gehört in die Sparte Esoterik. Nein, der Idealismus besagte, dass wir nicht mehr von der widersprechenden Realität kennen können, als das, wozu prinzipiell unser Denken in der Lage ist. Dies bedeutet, dass die Bedingungen für die Erkenntnis im Subjekt liegen. Um unsere Einführungsrunde in die Philosophie an dieser Stelle zu beginnen, sei gesagt, dass gerade der Philosoph Kant hier zeigen wollte, dass die subjektiven Bedingungen unseres Denkens zu gleich objektiv seien. Dieses philosophische Vorhaben nannte er dann den transzendentalen Idealismus. Der Widerspruch zum Denken durch etwas gegeben Reales ist auch für den idealistischen Philosophen wahr.  Es stellt sich allerdings dennoch die Frage, was die Bedingungen für diese Wahrheit sind und hier sind wir bei der Grundfrage der Philosophie.
rhızomıng mımεsıs▲catharsıs plεats . .

Ist die Realität philosophisch notwendig? CC_Bild: jef safi (writing)

Im obigen Video sehen wir nun diese Frage nach der rechten Interpretation der Welt. Sind alle Ereignisse, die geschehen notwendig oder zufällig? Tatsächlich eine Antwort hängt in weitem Maße von unserem philosophischen Glauben ab. Es stellt sich jedoch im Mindesten die Frage, was dann die Bedingungen für meinen Glauben sind. So leicht ist die Flucht vor Philosophie in den Glauben dann nämlich auch nicht.
Eine Bedingung für jedweden Glauben ist immer noch einheitliche Welterzeugung. Ich kann zum Beispiel nicht heute das und morgen das behaupten, nur weil ich gerade mal so glaube. Das heißt auch Glaubenssätze müssen dann der logischen Notwendigkeit folgen, dass diese zueinander passen, wenn ich sie in Anspruch nehme. Wenn sich diese Glaubenssätze nun widersprechen dürfen, so muss ich doch dennoch rechtfertigen, warum diese Sätze es dürfen und andere nicht. Damit holt die Philosophie jedweden Glauben wieder in ihre angestammte Form, in die offene Frage zurück.
Die Philosophie mit der Frage nach den Grenzen des Wissens und Sagbaren steht also in enger Verbindung mit den Grenzen des Glaubens. Machen wir dies mal an einem sehr einfachen Beispiel deutlich:
A: „Warum hast du mir gesagt, dass Eier im Kühlschrank waren?“
B: „Weil ich glaubte, sie wären im Kühlschrank“
A: „Warum glaubtest du das?“
Diese Gründe für den Glauben aber können dann kein Glauben mehr sein, andernfalls drehten wir uns im Kreis, fielen in der unendlichen Abgrund der Frage „Und warum das?“ oder wir würden eine nicht-philosophische Handlung begehen und den Diskurs darüber abbrechen. Dieses so genannte Münchhausen Trilemma, war schon von jeher ein Problem der Philosophen. Es sei dennoch soviel verraten, dass die Philosophen der transzendentalen Schulen hier ganz geschickte Methoden entwickelt haben, um tatsächlich eine Form der Letztbegründung all unseres Wissens zu erreichen.
Die Welt muss philosophisch mehr sein als nur der Glaube an ihre Grenzen. Allein durch Glauben können wir keine Letztbegründung vornehmen. Es wäre hier zu einfach, die Verantwortung an einen Freund im Jenseits abzugeben, der immer dann auf den Plan tritt, wenn es philosophisch heikel wird. Wo das Wissen aufhöre, müsse der Glauben beginnen. Dennoch es gibt gute Gründe, nicht die Dichotomie zwischen Glauben und Wissen auszuspielen, sondern beide in ihrer Einheit zu verstehen.
Wo der Glaube aber eine Rolle spielt, ist dort, wo wir im Nachhinein versuchen die Ereignisse, die doch zufällig zusammentreffen, zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Das machen wir, weil wir die Welt eben auch als eine denken müssen, wenn wir sie denn denken. Die Welt könnte so, nach einem Prinzip entstanden sein oder gar ganz zufällig und ohne Ordnung in ihrem Zusammenhang rein jetzt vor unserem geistigen Auge entfaltet sein und sich jeden Moment ganz und gar verflüchtigen (auch hier hatte der Philosoph Kant seine Arznei des transzendenten Idealismus parat, aber dazu an anderer Stelle mehr).
Zunächst entscheidet sich an dieser Stelle etwas ganz anderes. Es ist die Entscheidung, ob wir Realisten (das heißt das Prinzip zur Betrachtung der Welt, die Notwendigkeit, ist real) sind. Dies bedeutet, dass die Welt tatsächlich nach Notwendigkeit erfolge. Oder, ob wir philosophische Idealisten sind. Das heißt, dieses Prinzip zur Betrachtung der Welt, das wir brauchen, weil wir andernfalls Welt nicht denken könnten, wäre nur gedacht, tatsächlich aber ist die Welt ein Haufen „Chaos“, dem wir nur für einen Moment den menschlichen Anstrich der Ordnung geben. Der Philosoph Kant diskutierte dieses Thema schon sehr geschickt, da wir über das erste die tatsächliche Notwendigkeit bei niemanden (auch nicht im Jenseits) ohne weiteres eine Auskunft einholen können, so können wir das Prinzip der Notwendigkeit in unserem Denken erforschen (denn nur so können wir Welt überhaupt denken) und behandeln die Welt zumindest so als würde sie nach einem Prinzip verfahren.
Mit diesem transzendentalen Idealismus brachte der Philosoph Kant die bis heute fortschrittlichste Wissenschaft auf den Weg, die sich wohl genau genommen noch nicht bei allen durchgesetzt hat. Damit aber ist aber zumindest für wenige Philosophen klar, das Prinzip in seiner Notwendigkeit, gleich ob es real oder ideal ist, gilt objektiv für alle von uns, da ein anderes Denken von Welt nicht möglich ist. Wir schließen daher mit dem Wesen der Vernunft, das der Philosoph Kant in seinem fundamentalen Hauptwerk so beschrieb:
„Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“ (KdrV AVII)
Norman Schultz
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